Haben Sie an Ihrem Briefkasten oder der Fassade Ihres Hauses schon einmal merkwürdige Zeichen entdeckt? Womöglich handelt es sich um harmlose Kritzeleien der Nachbarskinder. Es könnten sich aber auch sogenannte „Gaunerzinken“ hinter den Symbolen verbergen. Diese auf den ersten Blick unscheinbaren Markierungen nutzen Einbrecher und Bettler seit Jahrhunderten, um Objekte von Interesse für sich und andere zu kennzeichnen. Die Codes geben beispielsweise Auskunft darüber, ob sich ein Einbruch lohnt, wie viele Personen in Haushalt leben und ob ein Hund über das Anwesen wacht. Lesen Sie im Nachfolgenden, wie Sie die geheimen Zeichen an Ihrem Haus erkennen, was sie bedeuten und wie Sie sich vor einem Einbruch schützen können.
Geheime Zeichen: Gauner und ihre Codes
Die Geschichte der Gaunerzinken reicht bis in das 16. Jahrhundert zurück. Damals ritzten auf der Durchreise befindliche Bettler und Diebe geheime Nachrichten in Fenster und Türen. Vorzugsweise an öffentlichen Orten wie Gasthäusern, Kneipen und Kirchen. Adressat dieser Botschaften waren nachfolgende Gauner. Sie wussten dadurch bei ihrer Ankunft, wo sich das Betteln oder Einbrechen lohnt. Die verwendeten Zinken bestanden aus simplen geometrischen Formen, die sich leicht in das Holz einritzen ließen, wie Dreiecke, Kreuze, Kreise oder gezackte Linien. Dabei hat jedes dieser Zeichen eine eigene Bedeutung.
Die Tradition der Gaunerzinken hat bis heute Bestand. Vor allem organisierte Banden verwenden die geheime Zeichensprache, um Komplizen Informationen über Häuser, ihre Bewohner und deren Besitz zu liefern. Statt die Botschaften einzuritzen, greifen Kriminelle heute gern auf Kreide und Filzstifte zurück. Mit ihnen markieren sie Briefkästen, Fassaden, Garagentore und Haustüren, aber auch Mülltonnen und Treppen.
Welche Bedeutung steckt hinter den Gaunerzinken?
Die Liste der Codes, hinter denen sich geheime Botschaften für Einbrecher verbergen, ist lang. Einige treten häufiger auf als andere. Wie beispielsweise das Kreuz, das signalisiert, dass es in diesem Haushalt „etwas zu holen“ gibt. Mehrere kleine Kreise zeigen an, dass in einem Haus wohlhabende Menschen leben. Umso mehr Kreise zusammenkommen, umso höher schätzt der Urheber der Nachricht die potenzielle Beute ein. Eine gezackte Linie schreckt hingegen viele Einbrecher ab – sie zeigt an „Vorsicht bissiger Hund“. Weitere Zeichen liefern Informationen wie „Alleinstehende Frau“, „Hier gibt es nichts zu holen“ oder „Die Polizei wird gerufen“. Auch für Wohnungen, in denen Polizisten wohnen, haben die Gauner einen eigenen Zinken. Eine Raute zeigt an, ob ein Haus unbewohnt ist. Drei Linien nebeneinander, dass hier bereits jemand zugeschlagen hat.
Gaunerzinken tauchen im gesamten Bundesgebiet auf
Einbrecher nutzen die Markierungen in Deutschland vergleichsweise selten. Wenn sie auftauchen, kann das im gesamten Bundesgebiet von Flensburg bis München sein. Gehäuft finden sie sich jedoch in der Nähe der Grenzen zu den osteuropäischen Ländern. Als Hochburg für Gaunerzinken galt lange Zeit Berlin. Hier hinterließen Banden nach Einbrüchen ihre Botschaften an Häusern und Wohnungen, bevor sie ihre Diebestour in anderen Städten fortsetzten. Insgesamt lässt sich aber sagen, dass das Auftreten von Gaunerzinken nicht ortsabhängig, sondern eine Sache der Bande ist. Diese kann in Frankfurt ebenso wie Köln unterwegs sein und dort ihre Markierungen hinterlassen.
Wie Kriminelle mit Gaunerzinken einen Einbruch vorbereiten
Einbrecher sind vielfach in Banden organisiert. Sie arbeiten mit System und haben eigene Kundschafter, die im Vorfeld Objekte beobachten, um herauszufinden, wo etwas zu holen ist. Ein häufiger Trick: Sie suchen gezielt nach Haushalten mit alten Menschen und geben sich als Handwerker aus. Unter dem Vorwand eine Reparatur durchzuführen, beobachten sie, ob, wo und wie viel Geld und Wertgegenstände im Haus zu finden sind. Mit diesem Wissen hinterlassen die Kriminellen draußen Hinweise für ihre Komplizen, die – je nach Gaunerzinken – in einer zweiten Tour in die ausgekundschafteten Häuser einsteigen.
Gaunerzinken entdeckt? Das sollten Sie jetzt tun!
Gaunerzinken sind meist schwer zu erkennen. Kein Wunder, haben Einbrecher doch wenig Interesse daran, dass Hausbewohner ihre Botschaften entdecken. Deshalb sind sie meist sehr klein und versteckt angebracht, beispielsweise weit unten am Türrahmen oder an der Seite der Mülltonne.
Haben Sie an Ihrem Haus einen Gaunerzinken entdeckt, sollten Sie handeln. Vermeiden Sie jedoch, das Symbol direkt wegzuwischen. Nehmen Sie stattdessen eine Kamera oder Ihr Smartphone und fotografieren Sie die Markierung. Handelt es sich um bekannte geheime Zeichen, die Gauner auf Diebestour hinterlassen, sollten Sie die Polizei informieren. Eventuell nehmen die Beamten den Gaunerzinken selbst in Augenschein. In jedem Fall geben Sie Ihnen jedoch Tipps, wie Sie sich am besten verhalten können. Erst danach ist es ratsam, den Hinweis zu entfernen.
Der Fund von Gaunerzinken sollte definitiv Anlass geben, die Sicherheit des Hauses zu überprüfen. Denn Einbrecher hinterlassen nur Markierungen, wenn ihnen der Einstieg nicht zu schwierig erscheint oder sich sehr wertvolle Gegenstände wie Kunst, Schmuck oder hohe Geldbeträge im Haus befinden. Insbesondere Fenster und Türen, aber auch eventuell vorhandene Sicherheitstechnik sollten auf den Prüfstand kommen, um das Sicherheitsniveau an die potenzielle Gefahr anzupassen. Häufig lässt sich schon mit einer geringen Investition der Schutz einer Immobilie um ein Vielfaches erhöhen.